Die Linux-Entscheidung des Auswärtigen Amtes: Meilenstein oder Randnotiz?

Der Entschluss des Auswärtigen Amtes, Linux auf Desktops der Mitarbeiter den Rücken zu kehren, hat für viel Aufsehen gesorgt. Aber ist der Schritt überhaupt so bedeutsam, wie der Wirbel darum vermuten lässt? ZDNet hat bei Linux-Experten und Open-Source-Anbietern nachgefragt.

Vergangene Woche hat die Meldung für Aufsehen gesorgt, dass sich das Auswärtige Amt entschlossen hat, die Umstellung von Windows auf Linux rückgängig zu machen. Öffentlich wurde der Richtungswechsel durch die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der SPD-Fraktion (PDF). Darin wird bestätigt, dass das Auswärtige Amt eine Umstellung der Arbeitsplatzrechner von quelloffenen Systemen auf proprietäre Software plant.

Als Grund nennt die Bundesregierung hohe Ausgaben für die Treiberentwicklung und Probleme bei der Softwarekompatibilität zu anderen Ressorts, unter anderem dem Bundesministerium für Finanzen. Zusätzlich habe es zahlreiche Beschwerden durch Mitarbeiter gegeben. Das erwartete Potenzial zur Kosteneinsparung sei nur „in geringem Umfang ausgeschöpft“ worden. Konkrete Zahlen wurden jedoch nicht genannt.

Das Linux-Projekt des Auswärtigen Amtes

Die Entscheidung sorgte aus mehreren Gründen für Aufsehen: Zum einen wegen der exponierten Position des Projektes, zum anderen wegen der Begleitumstände der Entscheidung. Das Auswärtige Amt hatte bereits 2001 im Serverbereich mit der Migration auf Linux begonnen. Seit 2005 kam auch auf Desktop-Systemen Open-Source-Software wie Firefox, Thunderbird und OpenOffice zum Einsatz. Auf mobilen Rechnern wird ein auf Debian basierendes Linux installiert, die Büro-PCs sind als Multibootsysteme mit Windows und Linux ausgelegt. Nach zwei Jahren Projektlaufzeit feierten die IT-Verantwortlichen den Umstieg auf Linux-Desktops im Auswärtigen Amt als Erfolgsgeschichte: Er wurde als Vorbild für den Einsatz freier Software in Bundesbehörden gepriesen.

Gründe für die Kritik

Einen unangenehmen Beigeschmack erhält die erneute Migration durch Dokumente, die der Blog Netzpolitik.org veröffentlicht hat. Ihm liegt unter anderem ein 300 Seiten umfassender Bericht zur Bewertung der Open-Source-Strategie vor, die das Auswärtige Amt 2009 bei McKinsey in Auftrag gegeben hat. Darin wird der eingeschlagene Weg bestätigt. Außerdem geben die Berater Empfehlungen, wie er sich weiter erfolgreich beschreiten lässt. Der Blog zitiert auch eine Mitteilung des Referatsleiters IT des Auswärtigen Amtes, wonach 2011 die Systeme von 3000 Anwendern, die derzeit mit Linux arbeiten, zunächst „auf das vertraute Windows XP“ umgestellt werden sollen. Das bilde dann die Basis für die Migration zu Windows 7 und Office 2010, sowie Outlook als Mailsystem mit Kalender- und Kontaktfunktion.

Unterm Strich erfolgt der Schwenk also entgegen Empfehlungen der durch das Ministerium beauftragten Berater und eigenen, früheren Aussagen. Das wirft zahlreiche Fragen nach der Motivation auf. Und es lässt Raum für allerhand Verschwörungstheorien. Die werden im Netz denn auch allenthalben mehr oder weniger gut begründet ausgebreitet.

Elmar Geese, Erster Vorsitzender des Linuxverbandes und Vorstandsmitglied der Lisog, glättet die Wogen jedoch etwas. „Im Auswärtigen Amt ist ein Projekt gescheitert, das kommt in der IT Welt vor, leider zu oft. Experten von Roland Berger bis zur Standish Group gehen von einer Erfolgsquote von unter 50 Prozent aus, und in den seltensten Fällen sind die Gründe technischer Natur“, teilt er auf Anfrage von ZDNet mit. Geese weiter: „Es gibt immer erfolgreiche und gescheiterte Projekte, und die Gründe liegen nie in der Quelloffenheit der eingesetzten Produkte, sondern in den Rahmenbedingungen des Projektes. Das wirkliche Problem ist das mangelnde Bekenntnis der Regierung zu einer Open-Source-Strategie. Diese Strategie hätte auch alle Probleme adressiert, die im Auswärtigen Amt berichtet wurden.“

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